Sunday, 22 August 2021

Elberadweg zwischen Coswig und Hamburg

Die Füße jucken uns schon eine Weile - es wird Zeit, mal wieder auf Tour zu gehen! Zumindest so'n bisschen wenigstens... Dave hat in den Sommerferien zwei Wochen Urlaub, die nutzen wir für einen Verwandtschaftsbesuch im hohen Norden Deutschlands. Der komplette Elberadweg (1200 km einfach) ist dafür natürlich zu lang, aber von Coswig nach Hamburg und wieder zurück sollte zu schaffen sein:

Ausschnitt aus: Elberadweg – Fahrradtouren in Deutschland (schoene-radwege.de)


Unsere Reise in Zahlen:

12 Tage im Sattel, 1 Ruhetag in Büchen, 2 Tage im Auto

11 Nächte im Zelt, 1 Nacht im Hotel, 2 Nächte bei warmshowers-Gastgebern

8 Bundesländer

26 Eiskaffees (dafür nur 1 Flasche Baileys 😋)

120 kg Gepäck

11 Fährfahrten

 9 verschiedene Kartoffelsalatvarianten

4 größere Dialektgebiete

1020 Kilometer per Auto

938,5 Kilometer per Fahrrad

211 Euro Übernachtungskosten

4 unnötige Gepäckstücke (Frisbee, Gurkenschäler, Coronatest, Regen-Überschuhe)


Samstag, 7. August 2021:

Mit dem Auto fahren wir nach Coswig (Anhalt). Auf dem Weg dorthin besichtigen wir das Dorf Mödlareuth, das von 1949 bis 1989 am kleinen Tannbach entlang geteilt war: Der thüringische Ostteil gehörte zur DDR, der bayerische Westteil zur BRD. Heute ist das Dorf eine Art lebendiges Museum, in dem man zumindest ansatzweise begreifen kann, was die jahrzehntelange Trennung der Nachbarschaft für die Menschen hier bedeutet hat:

Der Tannbach ist das Rinnsal hinter uns, aber der Sprung darüber hinweg war bei Todesstrafe verboten.



Kampfpanzer der sowjetischen Armee, den später auch die Nationale Volksarmee der DDR verwendet hat.
Eine ganz normale Dorfansicht, würde man sagen. Wenn da nicht ein Wachturm neben der Scheune stehen würde.
Die Brücke über den Bach war gesperrt, dahinter wurde 1952 erst ein übermannshoher Bretterzaun errichtet, der alle paar Jahre durch neue Schikanen "verfeinert" und 1966 schließlich durch eine Betonmauer ersetzt wurde. Fotos aus der Zeit gibt's hier.
30 Jahre lang hatte dieser Grenzstein an der Brücke keine Bedeutung. Dann kam Corona... Auf der bayerischen Seite trägt man FFP2-Maske, auf der thüringischen Seite reicht der Impfpass in der Handtasche.
Dave und ich oben in einem Wachturm.
Betonmauer mit unüberkletterbarem rundem Abschluss und natürlich wieder Wachtürmen.

Auch eine Fahrzeugausstellung gibt es in dem Museum.

Manche Vehikel wirken aus heutiger Sicht wie ein Witz, andere riesig.



Blick zurück von außen (quasi von der DDR-Seite) rüber in den Westen. Sehr beeindruckend, dieser Besuch hier!

Viele Baustellen später gelangen wir zu einer Familie in der Nähe von Coswig (Anhalt), die wir über warmshowers ausfindig gemacht haben. Hier dürfen wir heute nicht nur duschen und übernachten, sondern auch unser Auto zwei Wochen lang stehen lassen. Außerdem erfahren wir beim Abendessen mit Freunden der Familie noch so Einiges über die Menschen und das Leben hier. Es wird ein langer, lustiger und interessanter Abend bei sehr viel sehr leckerem Essen!

Gefahrene Strecke: genau 500 km (Auto)

Erkenntnisse des Tages: Der neueste Psychotrick der Autobahnmeisterei funktioniert sogar, wenn man ihn durchschaut hat. Am Anfang einer langen Baustelle, an der der Verkehr einspurig mit 60 km/h vorbeigeleitet wird, steht eine Kilometerangabe mit einem roten grantigen Smiley. Bei weniger als 10 km wird es dann ein gelber genervter Smiley und bei unter 5 km ein grüner lächelnder Smiley.

Während im verregneten Südbayern noch nicht einmal daran zu denken ist, mit einem Mähdrescher in ein Feld reinzufahren, sind Getreide und Stroh in Sachsen-Anhalt längst heimgebracht und die Äcker gegrubbert.

"Die Wende" steckt vielen Menschen tiefer in den Knochen, als wir Kinder des Westens das allgemein so vermutet hätten. Immer wieder kommt sie entweder nur als Zeitangabe oder aber als Thema vor.

Nusszopf ist hier oben so gut wie unbekannt. Da haben wir ja das richtige Mitbringsel ausgesucht!

Nachtlager: bei Kerstin und Reinhard (warmshowers-Gastgeber) in Coswig.


Sonntag, 8. August:

Unser erster Radltag! Natürlich kommen wir erst kurz vor Mittag los, weil wir erst unseren Krempel in die Satteltaschen verteilen müssen, dann ein ausgedehntes Frühstück genießen und Dave schließlich noch auf der Dilruba spielt. Es folgt ein sehr herzlicher Abschied von Kerstin und Reinhard, und schon sind wir unterwegs.

Kaum zu glauben, dass das alles in dem kleinen Auto da hinten Platz hatte!
Gleich hinter Coswig nehmen wir die erste Fähre über die Elbe nach Wörlitz. 
Frisch gestärkt nach unserem ersten Eiskaffee in Waldersee überqueren wir auf dieser Brücke die Mulde und landen in Dessau. Die heutige Etappe des Elberadwegs ist top ausgeschildert und führt kreuz und quer durch die berühmte Stadt, an vielen Denkmälern und imposanter Architektur vorbei.
Ein Höhepunkt sind natürlich die Meisterhäuser von Walter Gropius in der Ebertallee. Für uns sehr praktisch, weil wir sie von außen anschauen können, ohne die Räder irgendwo parken zu müssen.


Doch längst nicht alle Bewohner Dessaus sind dem Bauhaus verfallen, wie man an den Häusern gegenüber sieht...
... sowie an unzähligen verlassenen Fabrikgebäuden, ehemaligen Schlösschen, rustikalen Klinkerbauten usw.
Sobald wir in einen Wald oder Park reinfahren, warnen uns Schilder davor, die Bäume zu berühren. Der Eichenprozessionsspinner hat hier schon massive Schäden angerichtet und ist noch lange nicht fertig damit.
Was eine dichte Baumkrone sein sollte, ist total zerfressen und eher tot als lebendig. Schade um die mächtigen Bäume!
Wir folgen dem Tipp eines rüstigen Rentners aufm Weg zum Bier (seine Worte!) und fahren auf dem ehemaligen Elberadweg durchs Biosphärenreservat nach Aken. Direkt am Radweg ist die Touristeninformation, also ein mit Flyern vollgepackter Bauwagen. Bei unserer Ankunft springt gleich ein fröhlicher älterer Herr raus, drückt seine Zigarette aus und uns einen Ortsplan in die Hand und fragt, was wir brauchen. Effizienter geht's kaum!
Der Zeltplatz am Bootsverleih ist genau das Richtige für uns. Nach dem Zeltaufbau verlangen unsere Körper nach fester Nahrung, vorzugsweise mit Fleisch. Da trifft das griechische Restaurant am Marktplatz den Nagel auf den Kopf - auch wenn wir die zweite und dritte Runde Ouzo ausschlagen.

Gefahrene Strecke: 59 km

Erkenntnisse des Tages: Wir können es noch, aber die Gewichtsverteilung passt noch nicht ganz. 

Der Elberadweg ist idiotensicher ausgeschildert - auf die Papierversion hätten wir ruhig verzichten können.

Auch an Dave gehen die unterschiedlichen Dialekte nicht spurlos vorüber. Statt einem Haferl Kaffee bestellt er von nun ein einen "Pott Kaffee"

Fürs Radfahren ist die griechische Diät mit ihren geschätzten 2000 Kalorien pro Mahlzeit nach wie vor unschlagbar.

Nachtlager: Boot- und Campingcenter Aken


Montag, 9. August:

Da wir dieses Mal keine Küche mitschleppen, spazieren wir in der Früh erstmal in den Ort und frühstücken beim Bäcker. Um 10 Uhr sind die Zähne geputzt, die Wasserflaschen aufgefüllt und die Satteltaschen gepackt, und auf den ersten 15 Kilometern läuft wieder alles wunderbar: Das Wetter ist kühl und trocken, der Weg verläuft gut beschildert und landschaftlich reizvoll auf einer Deichkrone entlang.

zum Vergrößern anklicken
Dann die erste Enttäuschung in Breitenhagen: Die Fähre über die Elbe geht nicht. Jemand hat mit Edding noch dazugeschrieben, warum ("keine Lust!"), aber das hilft uns leider nicht weiter. Und ausgerechnet an dieser Stelle gibt es zum Haupt-Elberadweg keine Alternative auf der anderen Flussseite!
Gut, dass in unserer Papierkarte auch ein Stückchen des Saaleradweges eingezeichnet ist. Erstens erkennen wir so unser Dilemma: Ein paar Kilometer weiter mündet die Saale in die Elbe, und wir stecken jetzt in dem Dreieck fest, das die beiden Flüsse bilden. Brücken gibt es keine. Na super!
Zweitens bemerkt man bei genauerer Betrachtung der Papierkarte, dass es wohl irgendwo eine Fähre über die Saale geben muss, auch wenn diese nicht explizit eingezeichnet ist. Also dann: Probieren wir es halt - denn zurückfahren nach Aken wollen wir auf keinen Fall!
Der Saaleradweg ist alles andere als gut beschildert, und so suchen wir uns zwischen Feldern, Wiesen und Deichen hindurch in die Burgruine Klein Rosenburg, aus der wir ohne die Hilfe eines ortskundigen Radlers, der uns kurzerhand vorausfährt, nie mehr rausfinden würden (es sei denn auf demselben Weg zurück - aber sowas macht ein Radfahrer halt ungern).
Tatsächlich landen wir irgendwann an der Saale-Fähre nach Werkleitz und folgen dem Saaleradweg nach Barby, wo wir nach fünfmal nachfragen und rundrumfahren endlich an der ehemaligen Eisenbahnbrücke über die Elbe stehen, die in der Karte als Alternative zur Elbfähre genannt wird:

Tja, und da heißt es für uns: Alles auseinanderbauen, einzeln hochtragen und oben wieder zusammenbauen.
Gottseidank nur auf der einen Seite, denn drüben kann man die Räder einfach neben der Treppe herschieben. Die Brücke selbst ist historisch interessant und mit vielen Bildern und Informationstafeln ausgestattet. Trotzdem sind wir froh, als wir endlich wieder auf unserem eigentlichen Weg sind!
Dieser besteht hier neben unterirdischer Beschilderung aus den unterschiedlichsten Fahrbahnbelägen und bietet vom Deich herunter sowohl eine gute Aussicht auf einen hochinteressanten Architekturmix zwischen halb verfallenen Höfen und Fabriken als auch einen nicht geahnten Einblick in den Alltag und die Mentalität der Menschen, die nicht "rübergemacht" haben.
Und weil heute eh schon alles wurscht ist, nehmen wir gleich noch Wind von allen Seiten und ab Pretzien leichten Regen mit. Wir freuen uns auf eine warme Dusche und ein gemütliches Abendessen im schönen Schönebeck...
Haha. Der Campingplatz liegt hinter den Bahngleisen am Schönebecker Hafen zwischen einer Müllverbrennungsanlage und einem verlassenen Industriegebiet, drei Minuten warmes Wasser kosten 1 Euro, aber das lese ich erst, als ich schon in der Dusche stehe, und montags haben außer einem Asia Imbiss schon mal grundsätzlich alle Restaurants zu. Klar.

Gefahrene Kilometer: 68 km + 8,5 km auf der Suche nach etwas Essbarem an einem Montagabend

Erkenntnisse des Tages: Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Dämpfer her. 

Deutschland hat viele Gesichter. 

Die Beschilderung des beliebtesten Radweges in Deutschland (bis zu 4000 Radler pro Woche!) lässt noch sehr zu wünschen übrig. Wie gut, dass wir die Papierkarte haben! 

Asiaten sind geschäftstüchtige Leute.

Nachtlager: Campingplatz Magdeburg in Schönebeck (der Platz ist wirklich schön, er liegt halt etwas gruslig)


Dienstag, 10. August:

Gestern Abend ist die Campingplatz-Frau noch ans Zelt gekommen und hat uns Frühstück angeboten. Jeweils Kaffee oder Tee, 2 Semmeln, Butter, Marmelade, Wurst und Käse für 6 Euro, da haben wir gleich bestellt. Wer weiß, ob Dienstags hier der freie Tag der Bäcker ist?

Vor dem Frühstück habe ich noch Zeit, den Sonnenaufgang zu beobachten, Tagebuch zu schreiben und meine Satteltaschen neu zu sortieren. Ohne Kochgeschirr und Lebensmittel ist mein gewolltes Ungleichgewicht gar nicht so einfach herzustellen, aber jetzt sollte es passen: vorne schwer, hinten leicht.
Am Imbissstand serviert der Campingplatz-Mann echtes Geschirr und sogar Servietten, leider keinen Tee ("Den hätten Sie bestellen müssen" - "Hab ich bei Ihrer Frau gemacht" - "Steht hier nichts von auf meiner Liste. Ich kann hier kein Wasser heiß machen. Da hätten Sie was sagen müssen" - ...), genug Aufschnitt und Aufstrich für eine ganze Familie, dafür leider nicht die versprochenen Vollkornsemmeln, sondern weiße Aufbackbrötchen, und kassiert dafür 6,90 pro Portion. Großzügigerweise erlässt er mir aber die 80 Cent, weil ich ja keinen Tee hatte. Genau mein Humor.

Lustig geht's den ganzen Tag dahin, auch wenn wir den Spaß meistens eigenhändig veranstalten müssen. Zum Beispiel gleich um die Ecke bei der Müllverbrennungsanlage, an der wir vorbeifahren -  nur um zwei Sekunden darauf umzukehren, weil wir neben dem Tor das Schild "öffentliche Waage" gelesen haben... Nix wie rein! Natürlich glotzen uns vom tätowierten Alpha-Trucker bis zur Putzfrau auf der Leiter vorm Fenster erstmal alle abschätzig an. Allerdings nur so lang, bis der Mann hinter der Scheibe rauskommt und vor lauter Staunen nur zwei Zahlen rauskriegt: "Vürzsch. Achzsch."
Da vorne ist schon Magdeburg. Der Weg dorthin ist wieder gut beschildert und schlängelt sich, hübsch eingesäumt von übermannshohen Brombeerhecken und Brennnesseln, durch eine Ecke der Stadt, deren Charakter von der großen Sanierungsoffensive noch nicht beeinträchtigt wurde.

Am Dom werden wir gleich freundlich empfangen: Der Mann im Eingangsportal packt gerade seinen Rucksack und bietet uns sein Nachtquartier zum Schlafen an. Es sei ein guter Platz, weil das Vordach mit seinen acht Metern vor Regen schütze. Danke, sehr aufmerksam, aber wir haben ein Zelt dabei! Uns wäre eher nach einer Erfrischung...
Daumenkino: einfach anklicken und runterscrollen
Direkt daneben der Domplatz. Auf den ersten Blick echt einfallslos.
Bis uns was auffällt. Und dann was einfällt...
Die Kamera wird auf einer Parkbank platziert, wir gehen auf die Startposition.




Zwischenbesprechung.
Zweite Runde.

Waschelnass und happy!
In der Espressobar nebenan werden wir von der Zicke hinterm Tresen angeranzt, weil wir reingegangen sind, obwohl draußen bedient wird. Aha. Zum Glück hat die nicht bemerkt, dass wir uns hinter ihrem Rücken auch noch komplett umgezogen haben!
Die Grüne Zitadelle von Friedensreich Hundertwasser macht uns da einen wesentlich gelasseneren Eindruck, aber fürs Erste haben wir genug von dieser Stadt.
Weiter geht's durch eine ausgedehnte Heidelandschaft, immer wieder mit Schafen gesprenkelt.
Und zur Abwechslung mal durch den Wald. Abwechslungsreich kann man auch den Fahrbahnbelag nennen. Ganz beliebt ist hier ja der gepflasterte Radweg. Ob das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Fliesen- und Plattenlegerszunft sein soll oder ob von der zuständigen Baubehörde niemand jemals Fahrrad gefahren ist, können wir nur vermuten. Jedenfalls ist es dämlich, parallel zur Fahrtrichtung verlaufende Rillen anzulegen. Fühlt sich an wie Aquaplaning, aber halt durchgehend.
Noch geiler: Via Appia Antica. Oder wie nennt man das im Fachjargon? Um 300 vor Christus waren Beton und Asphalt noch unbekannt. Geschenkt. Aber seitdem hat sich doch der Straßenbau in Europa weiterentwickelt, möchte man meinen. Müssen wir da ausgerechnet in Deutschland die Technik der alten Römer nachäffen?
Europäisches Wasserstraßenkreuz bei Hohenwarthe: Unten fließt die Elbe von links nach rechts. Oben drüber geht in einer Trogbrücke von 2003 der Mittellandkanal, ein sehr effektives und technisch hochraffiniertes Projekt, das letztendlich Rhein und Oder verbindet. Mit dem Boot kann man also ohne Umwege von Holland bis in den wilden Osten der Tschechei schippern. Schon cool.
Aber um nochmal auf die Baukunst der alten Römer zurückzukommen: So ein schickes Aquädukt aus handgeschlagenen Steinen hätte es doch auch getan, oder? 😛
Heute fliegen wir nur so dahin! Die Strecke verläuft hauptsächlich nordostwärts, deshalb schiebt uns ein kräftiger Rückenwind an den ganzen E-Bikes vorbei. Nach der Fähre in Rogätz sind wir die ersten beim Bäcker, doch als wir wieder rauskommen, bietet sich uns dieses Radlerstilleben:

Typisches Dorf hier: ziemlich durchgehende Bebauung an der Straßenseite mit Toren zu den Höfen / Garagen / Gärten dahinter. Im Ortskern recht eng, weiter draußen sehr großzügige Grundstücke ohne erkennbare stilistische Vorgaben. Unser Lieblingsthema bleibt der Fahrbahnbelag - das Durcheinander ist noch größer als in Mexiko und zwingt uns meistens dazu, auf den Gehsteig auszuweichen, der auch nicht viel besser ist, wenn überhaupt vorhanden. Und für Fahrräder verboten.
Seit heute interessiert sich Dave auch für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse hier in der Gegend.
Blick auf den Bölsdorfer Haken von einem Naturbeobachtungsturm aus



Das Kellerwesen bekommt langsam Farbe 💗
Endspurt für heute: nur noch ein paar Kilometer bis zu der Kirche am Horizont! Da nutzen wir doch den Aussichtsturm gleich noch für ein paar Selfies - auch wenn wir danach nochmal zurückfahren müssen, um die Kamera zu holen.



Im Hafen von Tangermünde werden wir vom Hafenmeister sehr herzlich empfangen. Er mäht sogar nochmal den Rasen an der Stelle, wo wir das Zelt aufstellen wollen! Danach schnell duschen und dann zum Feierabendradler auf den Balkon des Clubhauses, wo wir auch gleich noch die legendären Buletten mit hausgemachtem Kartoffelsalat probieren. "Schmecken lassen!", sagt die Chefin. Tun wir.
Danach haben wir Lust, dieses fröhliche Städtchen zu erkunden. Rote Backsteine dominieren das Bild, 
enge Gässchen...
... und liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser bzw. -häuschen. Wir sind spontan schockverliebt.



Die St. Stephanskirche ist der größte Sakralbau der Altmark - man sieht sie aus allen Richtungen von Weitem - und enthält auch noch eine der wertvollsten Orgeln Europas.
Am Grete Minde Monument findet eine Feuerwehrübung statt, und alles schaut zu. Überhaupt ist hier endlich mal was los auf der Straße: Einheimische und Touristen mischen sich in den Kneipen und Cafés, hauptsächlich hört man sächsische und berlinische Töne in allen Abstufungen, aber auch Niederländisch, Polnisch, Englisch und Kindergeschrei.


In der Nacht wappne ich mich vorsorglich mit Ohrenstopseln und Augenbinde gegen ständige Toilettenbesucher gleich neben unserm Zelt. Dave allerdings bekommt den kleinen, aber feinen Rave auf der anderen Hafenseite mit:
Ein paar junge Leute feiern mit richtig guten Verstärkern auf der Laderampe der ehemaligen Lagerhalle, bis sie nach etwa zwei Stunden von der Polizei heimgeschickt werden.

Gefahrene Strecke: 91 km

Erkenntnisse des Tages: Rückenwind + flache Gegend = Riesengaudi

Auf dem Radweg hört man neben "Hallo" hier auf einmal sogar junge Leute mit "Tach" grüßen. Ausgewählte Exemplare grüßen wir mit "Servus" zurück - das hebt die Augenbraue!

Nachtlager: Zeltplatz des Tangermünder Wassersportvereins


Mittwoch, 11. August:

Heute wird wieder ein richtig guter Radltag bei idealem Wetter, und der Weg ist auch meistens ordentlich ausgeschildert. Jetzt treffen wir immer wieder mal dieselben Leute unterwegs - einige haben schon Spitznamen. Und der Pferdeappetit hat uns voll im Griff: Frühstück in der Bäckerei um 9, danach Aufbruch, ab 11 Uhr Lust auf Pizza, aber die Pizzeria in Arneburg weist uns sehr unfreundlich ab. Also genehmigen wir uns jeweils zwei Stück Torte im Burgcafé bei dieser Aussicht:


zum Vergrößern anklicken
... und ein verspätetes Mittagessen in einer indischen Pizzeria in Havelberg. Auch hier haben alle Gastronomen gleichzeitig geschlossen. Wer zwischen 14 und 18 Uhr etwas Essbares sucht, hat die Wahl zwischen einem Asia Imbiss und einem Supermarkt. Mindestens zehn hungrige Radfahrer sehen uns essend am Tisch an der Straße sitzen und würden gerne etwas bestellen, werden aber nicht mehr bedient. Da haben wir echt noch Glück gehabt!
Bei Havelberg macht die Elbe einen Knick, ab sofort fahren wir Richtung Westen. Bedeutet für uns tendenziell mehr Gegenwind, aber wir kommen immer noch gut vorwärts.

Brandenburg empfängt uns mit großen Fliegenschwärmen, älteren Radwegen als in Sachsen-Anhalt und vielen Storchennestern:
Rühstädt in der Prignitz ist stolz auf seine 50 Storchennester auf den Dächern und informiert auf kleinen Tafeln darüber, welches Paar in welchem Jahr an welchem Datum aus Afrika zurückkam, wie viele Junge es hatte usw. 

Am frühen Abend erreichen wir die Nähmaschinenstadt Wittenberge, gut erkennbar am Wasserturm der Fabrik Singer mit der größten Turmuhr Europas. Irgendwie hätten wir Lust auf eine Pension oder ein Hotel, aber es ist einfach zu nervig, von Tür zu Tür zu gehen und zu fragen.
Also doch lieber wieder runter zum Hafen, wo uns abermals ein sehr fröhlicher Hafenmeister empfängt und zu den anderen Radfahrern auf die Wiese schickt. Zum vierten Mal in Folge zelten wir in der ersten Reihe am Wasser, herrlich! Für 5 Euro.
Als wir vom Duschen zurückgehen, winken uns drei Männer vom Terrassencafé aus zu. Es sind die drei Typen aus Ostwestfalen-Lippe, denen wir in den letzten beiden Tagen schon mehrmals begegnet sind - zuletzt heute in Havelberg, wo sie in "unserer" indischen Pizzeria abgeblitzt und dann im Asia Imbiss gelandet sind. Bei Radler und Mückenkerzenschein (!!!) tauschen wir uns über bisherige Reiseerfahrungen, Ausrüstung und unsere Eindrücke aus, bis es Bettgehzeit ist. Sprich halb 10 😂

Gefahrene Strecke: 91 km

Erkenntnisse des Tages: Ob die anderen Fahrradtouristen auch Spitznamen für uns haben?

Auf dieser Tour fällt es uns eher schwer, Zugang zu anderen Radfahrern zu finden. Am Zeltplatz wurschtelt jeder so für sich hin, teilweise sogar ohne zu grüßen. Hauptsächlich sehen wir deutsche Paare jeder Altersgruppe, die mit nagelneuen, aber ungeschickt montierten Satteltaschen an ihren E-Bikes rumkurven und abends in einer im Voraus gebuchten Herberge verschwinden.

Für Störche und andere Tiere gelten anscheinend keine Datenschutzbestimmungen.

Janz schön flach hier!

Nächstes Mal nehmen wir die Küche wieder mit.

Auch andere Touristen haben den Eindruck, dass noch viel Luft nach oben herrscht, was die Entwicklung Ostdeutschlands betrifft. Einzelne Orte haben die Zeichen der Zeit erkannt und ihr Potenzial genutzt - andere dagegen liegen komplett brach.

Dafür ist die Gegend sehr schön und großteils einfach naturbelassen. Wenn man den Betonierwahn rund um München verfolgt, tut es gut, rundrum nur Grün zu sehen.

Nicht alle Asiaten sind gute Geschäftsleute. Aber auf den Asia Imbiss ist Verlass!

Nachtlager: Zeltplatz am Nedwighafen in Wittenberge


Donnerstag, 12. August:

Unserer Meinung nach das am besten ausgebaute Teilstück des Elberadwegs unserer Tour: Dieser gepflegte Schotterweg fährt sich wesentlich angenehmer als alte Lochbetonplatten, Teer mit Wurzelaufhäufungen oder längs verlegtes Pflaster mit Spurrinnen. Da können wir sogar mal rundrumschauen und die Landschaft genießen.
Und man leistet sich hier auch noch den Luxus einer durchdachten Beschilderung. Es ist nämlich gar nicht selbstverständlich, dass man als Radfahrer erfährt, in welcher Ortschaft man gerade weilt. Zusätzlich sind auf diesen Schildern noch Hinweise auf den weiteren Streckenverlauf zur Orientierung. Gut gemacht, Brandenburg!
Bis hierher verläuft die Elbe innerhalb der ehemaligen DDR. Ab Lütkenwisch bildet sie die Grenze zwischen Niedersachsen und Brandenburg, bzw. kurz darauf Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb sehen wir auf diesem Abschnitt immer wieder alte Wachtürme auf der einen Seite.
Blick in die Elbauen

Gegen Mittag machen wir einen Abstecher nach Lenzen, dem einzigen größeren Ort in der Nähe, in der Hoffnung auf W-Lan. Denn so langsam sollten wir uns mal bei Moritz und Kathrin melden, ob unser Treffen morgen klappt. Schließlich sind wir hauptsächlich wegen der beiden hier.
In der Tourist-Info zerschlagen sich unsere Träume von einem gemütlichen Café, in dem wir unsere E-Mails lesen können und vielleicht sogar eine Pension für heute Nacht finden, sehr schnell. Das einzige W-Lan gebe es vorm Netto. Kein Witz! Hunger haben wir aber trotzdem, deshalb hocken wir eine halbe Stunde später wie die Penner mit einer Packung Chips, Schokokeksen und je einer Dose Paulaner Spezi (so viel Würde muss sein!) neben dem Supermarkteingang auf dem Boden im Schatten. Da ist es fast schon nebensächlich, dass wir natürlich nicht ins Internet kommen.
Zurück an der Elbe, wird unser Traum doch noch wahr. Und zwar in einem Gartenlokal direkt am Radweg, keine fünf Kilometer weiter. Für heute Nacht sind alle Zimmer in der Gegend ausgebucht, doch das Treffen mit meinem Cousin und seiner Familie morgen auf einem Campingplatz östlich von Hamburg klappt. Wir googeln bei dieser Gelegenheit gleich mal den Weg dorthin und machen zur Sicherheit Screenshots davon...
Mal wieder ein neues Bundesland - mit dem hier hatten wir gar nicht gerechnet.
Auch nicht damit, dass heute Abend nochmal Geschichtsunterricht auf dem Stundenplan steht. Und was für eine krasse Geschichte!
In Rüterberg finden wir einen Campingplatz, den wir uns mit noch einer Radfahrerin teilen dürfen. Nach dem Duschen gehen Dave und ich im Dorf spazieren, und auf den ersten Blick sieht es aus wie sonst überall auch: üppig blühende Gärten, liebevoll renovierte Häuser, davor kleine Verkaufstische mit Marmeladen, Chutneys, Likören usw.

Am Südrand stehen zwischen zwei Gärten der alte DDR-Wachturm und daneben ein Aussichtsturm. Hier oben haben wir nicht nur Ruhe vor den Mücken, sondern auch einen weiten Blick hinunter auf die Elbe. Rüterbergs wunderschöne Lage auf einem Hügel in einem Knie der Elbe war der DDR-Regierung ein brutaler Dorn im Auge, weil das Dorf auf drei Seiten vom kapitalistischen Klassenfeind umgeben war.
Ab 1967 trennte das Dorf nicht nur ein Zaun von Westdeutschland, sondern sogar noch ein zweiter von Ostdeutschland: Der Ort war bis 1989 komplett eingesperrt, regimekritische Bürger wurden zwangsumgesiedelt ("Aktion Ungeziefer" 1952), es gab Hundelauf- und Signalanlagen zur Grenzüberwachung und Grenzposten am Tor, von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr durfte man mit einem Passierschein raus, aber niemand durfte zu Besuch kommen. Sägewerk und Ziegeleien, ursprünglich der Grund für die Besiedelung hier, sowie mehrere Wohnhäuser wurden dem Erdboden gleichgemacht und der Zugang zur Elbe als Naherholungsgebiet war durch den Grenzzaun verwehrt.
Kein Wunder, dass sich die Bevölkerungszahl in den 22 Jahren von 300 auf 140 reduzierte.
Kein Wunder, dass trotz aller Bewachung laufend tote Menschen aus der Elbe gefischt wurden.
Kein Wunder, dass sich das Dorf am 8. November 1989 bei einer Bürgerversammlung selbstständig machte: Nach Vorbild der schweizerischen Urkantone riefen die Anwesenden die Dorfrepublik Rüterberg aus. Schade, dass sie auf diese Idee nicht früher gekommen waren, denn ausgerechnet am nächsten Tag fiel in Berlin die Mauer.
In der Empfangshütte des Campingplatzes liegt ein Schnellhefter mit der ganzen Geschichte, aus erster Hand erzählt von (ehemaligen) Dorfbewohnern, erläutert durch Fotos und Graphiken. So nervig die Mücken auch sind, ich lese das komplette Ding und kann einfach nicht fassen, dass sowas während meiner Kindheit passiert ist.

Gefahrene Strecke: 68 km

Erkenntnisse des Tages: Öffentlich zugängliches Internet ist doch nicht so verbreitet wie vermutet. Braucht denn das keiner außer uns?

MeckPomm geht ganz schön weit in den Westen rüber.

Sehr stark beschäftigt uns in dieser Umgebung das Thema Freiheit, verbunden mit der Intelligenz, sie zu nutzen, ohne anderen zu schaden. Wie weit sind wir damit heute?

Aus "Tach" und "Mojen" wird langsam "Moin". Das ist super, denn da falle ich mit einem Bairischen "G'Moing" überhaupt nicht auf.

Nachtlager: Campingplatz in Rüterberg


Freitag, 13. August:
Dave hat heute seinen großzügigen Tag: Er teilt ungefragt seine Wasserflasche mit mir... Danke!

Blick von der Fahrradfähre aus auf Hitzacker. Dort genehmigen wir uns unser zweites Frühstück in einer Bäckerei und schauen vom Fenster aus zu, wie eine ältere Frau ihr Rad an meines lehnt. Natürlich kann ihr Mann das schwere Teil nicht halten, als es umkippt, aber da ist Dave schon längst aus der Bäckerei geschossen. Was denken sich eigentlich manche Leute?
Im Naturpark Elbhöhen-Wendland gibt es den ein oder anderen Hügel mit Kiefern drauf. Aber bevor Heimatgefühle aufkommen, fahren wir schon wieder bergab.
Die höchste Erhebung ist der Kniepenberg mit sage und schreibe 86 m über dem Meer. Der Aussichtsturm oben drauf misst nochmal 16 m, deshalb genieße ich einen wunderbaren Blick über die Elbauen. Dave kehrt irgendwo weiter unten lieber wieder um... 

Heute ist irgendwie Tag der Übergriffe auf unsere Räder. In der Früh mussten wir vor der Fähre rangieren, da meinte eine hilfsbereite Holländerin, sie könnte mein Fahrrad einfach mal am Flaschenhalter packen und dran ziehen... Und auf der nächsten Fähre in Bleckede versucht die hektische Einweiserin, Daves Anhänger am Instrumentenkoffer hochzuheben. Wenn ich mal wieder jemandem beim Einparken zuschaue, zerre ich einfach am Seitenspiegel. Will auch mal helfen.
Checkpoint Harry am Ortsausgang von Boizenburg: Wo früher Grenzkontrollen durchgeführt wurden, braucht man heute eher Promillekontrollen. Coole Location für ein Pub! Ach ja: Und wir befinden uns nun in Schleswig-Holstein.

Gleich nach dem Ortseingang von Lauenburg verlassen wir den Elberadweg und folgen dem Elbe-Lübeck-Kanal nach Norden. Endlich mal kein Gegenwind! In Büchen wartet Moritz schon an der Straße vor dem Campingplatz auf uns und führt uns zur Zeltwiese, die er heute Nachmittag mit Frau und Kind belagert hat.
Nachdem der Kleine heute schon eine lange Reise im Fahrradanhänger hinter sich gebracht hat, wollen wir seine Geduld nicht mit einem Restaurantbesuch überstrapazieren und bestellen Abendessen beim Griechen. Genial dabei ist, dass das Essen schon kleingeschnitten ist. Denn Moritz und Kathrin sind gepäckmäßig diesmal auch eher unterversorgt, und Dave und ich haben nur Besteck für zwei Leute.

Gefahrene Strecke: 89 km

Erkenntnisse des Tages: Whoa, kann mein Mann vielleicht grantig werden, wenn jemand ungefragt sein Zeug antatscht. Richtig so.

Berge sind uns eindeutig lieber als Flachland mit Gegenwind. Da weiß man wenigstens, wann oben Schluss ist, und die Belohnung ist garantiert.

Drei Jahre kein Cousin- und Cousinencamping (CCC) ist eindeutig zu lang!

Nachtlager: Campingplatz am Waldschwimmbad in Büchen


Samstag, 14. August:
Zu fünft verbringen wir einen Ruhetag am Campingplatz mit einem späten Frühstück, zu dem uns die Campingplatz-Wirtin eine Tüte Semmeln und zwei große Thermoskannen Kaffee bringt, aber ohne Tassen, Milch und Zucker. Das hatten wir wohl nicht bedacht... Drum radelt Kathrin nochmal kurz zum Edeka.
Da wir uns zuletzt beim CCC in Berchtesgaden vor drei Jahren gesehen haben, gibt es eine Menge zu erzählen und auszutauschen, so dass der Tag schnell vergeht. Außerdem spielen die Männer noch ein bisschen Fahrradwerkstatt auf der Wiese, und später fahre ich mit Moritz zum Einkaufen fürs Grillen später - wird schon gehen mit einem Messer und zwei Plastikgabeln 😏
Direkt neben uns ist ein Waldschwimmbad mit großer Wasserrutsche. Die müssen wir heute natürlich unsicher machen und unsere Technik perfektionieren. Zwei Kinder vor uns probieren es mit der alten Schwimmhose-in-die-Pofalte-Methode, wir verlassen uns eher auf unsere Körperspannung und minimieren die Auflagefläche auf Schulterblätter und Fersen. Die großen Männer mäkeln bis zuletzt an meinem Startschwung rum, aber insgesamt würde ich die Aktion als vollen Erfolg verbuchen. Der kleine Mann hat's nicht so mit dem Wasser, er vergnügt sich derweil auf dem Spielplatz.

Als wir zurückkehren, gibt es auf der Zeltwiese Zuwachs durch drei weitere Radfahrer, die sich aber in das andere Eck verziehen. Der Grillabend läuft tatsächlich wunderbar. Es muss halt einer vor dem Essen alles kleinschneiden, und als Teller dienen uns zwei Tupperdeckel, die Dosen dazu und ein Schneidbrett. Passt doch!

Erkenntnisse des Tages: Ingenieure gehen nicht einfach nur zum Spaß ins Schwimmbad. Da wird auf der Rutschbahn getüftelt und gefeilt und jede noch so kleine Verbesserung gefeiert. Was wir jetzt noch bräuchten, sind Radarkontrollen oder sowas.

Nächstes Mal nehmen wir echt die Küche wieder mit. Mal zwischendurch einen Kaffee kochen hat schon was.

Und natürlich ist das eine Werkzeug, das Dave nicht mitgebracht hat, dasjenige, das er für Moritz' und Kathrins Bremsen brauchen würde.

Es gibt jetzt auch Baileys mit gesalzenem Karamell.

Nachtlager: wieder Campingplatz in Büchen



Sonntag, 15. August:
Zum Frühstück gibt es heute einfach die Reste von gestern, damit wir nicht so viel schleppen müssen. Danach packen wir unsere sieben Zwetschgen wieder ein und verabschieden uns mit dem festen Versprechen, nächstes Jahr wieder ein CCC zu veranstalten.
Dave und ich fahren am Kanal entlang zurück nach Lauenburg:
Was für ein hübsches Städtchen an der Deutschen Fachwerkstraße!

Rückblick auf Lauenburg von der Brücke aus, danach erkunden wir die andere Elbe-Seite.
Kleiner Tipp am Rande:


In Bleckede sitzen wir gerade gemütlich beim Eiskaffee, als wir eine Mutter sehen, die offenbar das Fahrrad ihres Sohnes probefährt. Als sie dann der Kette mit Bepanthol-Öl zu Leibe rückt, hält es Dave nicht mehr auf dem Sitz.
Dieses Dorf hinterm Deich heißt Konau. Dem Dave pressiert's, der muss mal. Aber ich fahre in dem denkmalgeschützten Marschhufendorf mit seinen reetgedeckten Niedersachsenhäusern zweimal rundrum.

Typisches niederdeutsches Hallenhaus (enthält Wohnung und Stall) mit Krüppelwalmdach und den gekreuzten Pferdeköpfen an der Giebelspitze.
Auch die Durchfahrtsscheunen gehören in diese Gegend. Konau ist das einzige Dorf, das in dieser Form noch erhalten geblieben ist.
Es ist schon nach 18 Uhr, als wir hinter den Büschen bunte Fahrradtaschen und ein Zelt erspähen. Immer ein gutes Zeichen! Kurz darauf steht dieses Schild am Radweg. Wir folgen dem Trampelpfad durch die Pferdekoppel und landen auf dem Hof eines niederländischen Paares, das irgendwann hier festgewachsen ist.
Der wahrscheinlich romantischste Zeltplatz unserer Reise: Sonnenuntergang und Pferdeschnauben begleiten unsere Arbeit.

Gefahrene Strecke: 79 km

Erkenntnisse des Tages: Kartoffelsalat zum Frühstück geht schon mal.

Ein ausgespültes Marmeladenglas ist zum Transport von Baileys wesentlich besser geeignet als die Originalflasche. Man muss halt vor dem Umfüllen gut antrinken.

Ab heute haben wir den Wind im Rücken - es geht ostwärts! Das ist auch der Grund, warum die meisten Radfahrer an der Nordsee starten und elbaufwärts Richtung Dresden fahren.

Nachtlager: Camping Bankerhof in Rassau


Montag, 16. August:
Als Erstes nehmen wir gleich die Fahrradfähre rüber nach Hitzacker und frühstücken dort in der Bäckerei. Das Coole am Rückweg ist, dass wir uns jetzt immer die Streckenabschnitte aussuchen, die uns beim Hinweg gefallen haben, und die größeren Orte schon alle erkundet haben. Da, wo wir nicht unbedingt ein zweites Mal hinwollen, fahren wir einfach auf der anderen Elbeseite.
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Und: Ich hole einige Fotos nach, die ich auf dem Hinweg schon machen wollte, aber dann war irgendwie der Moment vorbei oder es hat pressiert oder was weiß ich. Dieser Gedenkstein vor der Fähre ist so ein Beispiel.

Unterwegs klaubt Dave mit seinem Anhängerreifen einen kleinen Glassplitter auf - Platten. Wir selber merken es noch nicht einmal, sondern eine Frau, die an uns vorbeifährt, als wir gerade die Karte studieren.

Während unserer Mittagspause in Mödlich fängt es an zu regnen, aus dem Rückenwind wird vermehrt ein heftiger Seitenwind, und es wird ein ziemlicher Kampf bis Wittenberge. Doch der Gedanke an ein richtig gutes Abendessen treibt uns an. Die Wirtin in Mödlich hat uns nämlich das Viet Thai am Kino empfohlen, da würde sie gerne hingehen...
Nicht einmal beim Zeltaufbau an "unserem" angestammten Platz auf der Wiese am Hafen ist uns eine Regenpause gegönnt. So haben wir zwar mal Ruhe vor den Mücken, aber alles fühlt sich klamm an. Wie vom Hafenmeister empfohlen, nehmen wir miteinander eine Dusche ("Wissense, jeht ooch schneller, wa?") zum Auftauen. Das tut gut!
Danach marschieren wir in die Stadt und finden nach nur zweimal Fragen tatsächlich das proppevolle Restaurant. Unsere Geduld heute ist schon etwas ramponiert, aber das Warten lohnt sich wirklich: Nach einer Thai-Suppe sind wir auch von innen wieder warm, und das Pärchen am Nebentisch liefert genug Gesprächsstoff für den restlichen Abend.

Gefahrene Strecke: 85 km

Erkenntnisse des Tages: Gut, dass wir die Regenjacken eingepackt haben! Vorige Woche haben wir uns darüber amüsiert, was wir alles umsonst rumschleppen.

Elbaufwärts zu fahren heißt nicht automatisch Rückenwind.

Es liegt nicht immer an uns, dass wir in Hotels und Restaurants missgelaunt empfangen werden, wenn wir als Radfahrer erkannt werden. Manche Kollegen führen sich einfach unmöglich auf - schleppen ihr komplettes sperriges Gepäck mit in ein kleines Café, ziehen sich unterm Tisch Socken und Schuhe aus zum Trocknen oder sortieren ihre Lebensmittelvorräte aus.

Nachtlager: Zeltplatz am Nedwighafen in Wittenberge (vgl. letzten Mittwoch)


Dienstag, 17. August:
Regen, Wind und Kälte begleiten uns heute den ganzen Tag. Deshalb gibt es auch kein Foto. Das einzig Sehenswerte wären die hellen Blattunterseiten der Bäume im Wind...

In Havelberg harren wir eine Zeitlang in einem Buswartehäuschen aus und hegen erste Ausweg-Gedanken: Zug, Mietauto, Schiff oder Bus? Eine Nacht hierbleiben scheidet aus, das verschiebt das Problem nur auf morgen. Nach Kaffee und Kuchen im Altstadtcafé geht's uns wieder besser. Allerdings halten wir uns jetzt an die Bundesstraße. So umgehen wir ein paar runtergekommene Ortschaften auf der anderen Elbeseite, das Navigieren ist sehr viel einfacher als auf dem Radweg und streckenweise fahren wir schnurgerade im Wald, wo es endlich mal windstiller ist.

Irgendwann erreichen wir total ausgepowert unser Lieblingsstädtchen Tangermünde. Das war der Lichtblick den ganzen Tag! Der Zeltaufbau im Wind ist nicht ganz einfach, aber nach weit über 200 Auf- und Abbauten lassen wir uns nicht so leicht unterkriegen. Leider funktionieren die Reißverschlüsse nicht mehr alle, deshalb können wir nur noch einen Eingang benutzen. Nach dem Duschen genehmigen wir uns trotz des miesen Wetters einen Eisbecher und buchen für morgen ein Hotel in Magdeburg.

Gefahrene Strecke: 90 km

Erkenntnisse des Tages: Flache Gegend + Gegenwind = voll Panne

Nachtlager: Zeltplatz des Tangermünder Wassersportvereins (vgl. letzten Dienstag)


Mittwoch, 18. August:
Guten Morgen allerseits! Der Wind hat sich gelegt, und wenn mich auf dem Weg zurück vom Klo nicht alles täuscht, dann blinzelt dort vorne die Sonne mal wieder durch. 
Juchu!
So ein Sahnelikör hält sich ohne Kühlschrank nicht ewig, deshalb peppen wir heute morgen den Kaffee nochmal ordentlich auf. Übrigens bin ich voll stolz auf die Idee mit dem Marmeladenglas 👏

Im Laufe des Tages wird der Wind wieder recht heftig, aber wenigstens bleibt es trocken. In dem geschichtsträchtigen Feriendorf Bertingen machen wir Mittagspause. Heute stehen da mehrere Ferienwohnungen und ein Hotel mit Kegelbahn, Festsaal und Standesamt, ein Campingplatz ist dabei, im Biergarten tummeln sich die Radfahrer und für Kinder gibt es einen Spielplatz. Doch schon vor über 100 Jahren haben Jugendliche hier am alten Elbarm im Wald gezeltet. Im Dritten Reich entstand eine riesige Zeltburg für die Hitlerjugend, die auf dem Gelände trainiert und ideologisch geschult wurde. In der DDR-Zeit verbrachten viele Kinder im "Zentralen Pionierlager Friedrich Engels" ihre Sommerferien, und nach der Wende betrieb ein gemeinnütziger Verein das Kinder- und Erholungszentrum, bevor es 2005 zum jetzigen Feriendorf umgebaut wurde.
Am späten Nachmittag erreichen wir Magdeburg und checken gleich im Hotel ein. Die Fahrräder können wir am Hinterausgang unter der Treppe verwahren. Als Dave schon fast damit fertig ist, kommt ein Ehepaar hinzu und will nochmal zwei Räder einfach reinquetschen. Das Tetris-Spiel beginnt von Neuem. In der Zwischenzeit renne ich neunmal in den 3. Stock und wieder runter, um unsere Taschen und letztendlich auch den Anhänger ins Zimmer zu bringen. Mehr geschwitzt habe ich die ganze Woche auf dem Rad nicht!
Nach dem Duschen machen wir "in zivil" einen Spaziergang durch die Stadt, gehen zum Abendessen und gönnen uns zum Schluss noch zwei schöne Eisbecher.

Gefahrene Strecke: 74 km

Erkenntnisse des Tages: Wir freuen uns immer so auf ein Hotel, weil es auf einer langen Radreise einfach etwas Besonderes ist, die Beine vom Bett runterbaumeln zu lassen, einen Schrank zu benutzen und für Steckdosen, Trinkwasser und W-Lan nicht irgendwohin marschieren zu müssen. Aber wenn wir dann da sind, fühlen wir uns sofort genervt von der Umständlichkeit, der Eingeengtheit und den zusammengepressten Lippen hinterm Empfangstresen.

Nachtlager: B+B-Hotel in Magdeburg



Donnerstag, 19. August
Zum Abschied von Magdeburg hätte eine Dombesichtigung noch gepasst. Aber ganz ehrlich: Ich zahle nicht 2 Euro für eine Fotoerlaubnis in einem Gebäude, dass aussieht wie die Landshuter Martinskirche nach einer Plünderung. Ausdruckslose weiße Fenster, hinten rechts die Ausstellung eines Holzschnitzers, links an der Wand entlang Schaukästen zur Domgeschichte (altes Werkzeug, Schlüssel, Geld, Abhöranlage der Stasi, versteinertes Streichwurstbrot, Glocken, Bauteile usw.), dazwischen Baugerüste und einzelne Stühle. Lediglich die aufgeschlagene Bibel auf einem Seitentisch und der Altar weisen darauf hin, dass es sich bei dem Gebäude um ein Gotteshaus handelt.
Wir fahren also weiter und entdecken ganz neue Tierarten.
Der starke Gegenwind ist weg, deshalb kommen wir sehr flott voran. Seit gestern liefern wir uns heimlich ein Wettrennen mit einem älteren Ehepaar auf E-Bikes, das uns beim Mittagessen wegen der eigenwilligen Kombination aus Radleroutfit, Wein und ausgeprägtem Grant aufgefallen ist. Einen Tag später sind die zwei keine Spur sympathischer, im Gegenteil: Als wir beim Eiskaffee in Dornburg sitzen, holen sie uns mal wieder ein. Und rempeln beim Parken unsere Räder an, obwohl wirklich mehr als genug Platz wäre.
So schnell wie möglich machen wir uns aus dem Staub, was bis Friederikenberg wunderbar läuft. Doch dann blockiert mitten im Wald plötzlich meine Schaltung. Im höchsten Gang, ohne Vorwarnung. Schwitzend und schwer misshandelt von unzähligen Mücken baut Dave den Schalthebel komplett auseinander und findet nach längerer Suche eine gebrochene Feder.
Die kann er hier nicht reparieren, deshalb habe ich ab sofort nur noch die drei Kettenblätter vorne zum Schalten. Ein unverkennbares Surren kündigt die nahenden E-Bikes des unfreundlichen Ehepaares an. Natürlich fahren sie einfach an uns vorbei, ohne zu fragen, ob sie helfen können.
Hinten stellt mir Dave kurzerhand den dritthöchsten Gang fest ein, so dass ich weiterfahren kann. Damit wäre das Problem zumindest für diese Tour gelöst...
... wenn da nicht bei genauerem Hinsehen ein feiner Riss am hinteren Ausfallende wäre. Ziemlich genau an der Stelle, die wir 2014 in Griechenland schon einmal schweißen lassen mussten. Mist! Äußerst vorsichtig fahre ich weiter und versuche vor allem Schlaglöcher, Gehsteigkanten und andere Hüpfer zu vermeiden. Habe ich eigentlich schon die abenteuerlichen Fahrbahnbeläge hier erwähnt?

Bei unserer Ankunft in Aken haben wir einen Riesenhunger, also gehen wir gleich zum Essen. Da wir uns schon auskennen, machen wir uns wegen des Nachtlagers keinen Stress - wir bauen unser Zelt einfach wieder an "unserem" alten Platz beim Kanuverleih auf. Den Abend verbringen wir in der Gemeinschaftshütte mit einer Internetrecherche, die wir gern noch ein bisschen aufgeschoben hätten. Aber jetzt kommen wir um einen Stahlrahmen für mein Fahrrad und einen Ersatz für unser geliebtes Zelt nicht mehr rum.

Gefahrene Strecke: 72 km

Erkenntnisse des Tages: Je ausgelatschter die Touristenpfade, desto weniger offen geht man aufeinander zu. Es ist einfach nichts Besonderes, am Elberadweg auf Radfahrer zu treffen. Wir suchen uns in Zukunft lieber wieder Ecken, in denen sich beim Anblick einer fremden Ortlieb-Tasche Aufregung und Neugier einstellen.

Nachtlager: Boot- und Campingcenter Aken (vgl. letzten Sonntag)


Freitag, 20. August:
Vor dem Aufbruch stellt Dave nochmal sicher, dass der Knacks an meinem Fahrradrahmen seit gestern nicht größer geworden ist. Statt der idyllisch an der Elbe gelegenen Route nehmen wir heute den Radweg direkt an der Straße entlang, um so viele Rumser wie möglich zu vermeiden. Trotzdem ist das, was rund um Dessau so alles als Radweg ausgeschildert ist, immer noch abenteuerlich genug.

Im Forsthaus am Leiner See machen wir eine unverhofft ausgedehnte Mittagspause. Der beliebte Biergarten im Wald wurde nämlich spontan von einer Beerdigungsgesellschaft überfallen und ist so ausgelastet, dass wir über eine Stunde aufs Essen warten. Umso lustiger geht's an den Tischen zu, als sich immer wieder Radfahrer begrüßen, die sich irgendwo auf der Strecke schon mal kennen gelernt haben. Der Wirt kommt raus und entschuldigt sich bei uns, was jeder positiv aufnimmt. Als ich ihm sage, wir seien alle im Urlaub und können schon noch warten, ist er echt erleichtert. Und als dann endlich die ersten Essen ausgerufen werden, wird jede Nummer laut bejubelt.
Heute sehen wir auch die schöne Seite von Coswig. Am Stadtplatz gönnen wir uns noch einen Affogato al caffè (mit Vanille-, Haselnuss- und Kaffeeeis). Wow!
Danach machen wir uns auf den Weg zu unseren warmshowers-Gastgebern, bei denen wir heute nochmal übernachten dürfen. Kerstin und Reinhard sind zwar übers Wochenende verreist, aber ihre Tochter ist daheim und kocht sogar für uns. Im Regal in "unserem" Zimmer entdecke ich Scotland Yard, den Spieleklassiker von 1983. Das müssen wir unbedingt rausreißen und gemeinsam spielen! Es wird ein sehr spannender und lustiger Abend mit Katja, auch wenn wir Mister X letztendlich nicht schnappen.

Gefahrene Strecke: 56 km

Erkenntnisse des Tages: Es geht doch nix über einen altmodischen Spieleabend!

Nachtlager: wieder bei Kerstin und Reinhard (warmshowers)


Samstag, 21. August:
Es heißt Abschied nehmen! Obwohl wir uns nur ein paar Stunden kennen gelernt haben, fühlt es sich so an, als wären wir die vergangenen zwei Wochen hier gewesen.
Der Tetrismeister beginnt sein Werk...

... und findet zum Schluss sogar noch ein Paar frische Socken. So sieht Glücksseligkeit aus!
Auf der Heimfahrt machen wir natürlich gleich einen Zwischenstopp in der Lutherstadt Wittenberg.
Die so genannte "Thesentür", wo 1517 die Reformation der Kirche ihren Anfang nahm. Nähere Informationen auf der Tafel daneben:
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Am Marktplatz ist ganz schön was los!
Mittendrin reihen sich lauter blank polierte Opel zu einem Oldtimer-Treffen aneinander.
Selfie mit Globus. Nach einem gemütlichen Spaziergang durch Wittenberg fahren wir Richtung Heimat, und sobald sich in Thüringen und Oberfranken die ersten bewaldeten Hügel blicken lassen, fühlt es sich auch so an.

Gefahrene Strecke: 520 km

Erkenntnisse des Tages: Gar nicht so leicht, vom Radlfahrermodus wieder in den Autofahrermodus zu schalten! In Wittenberg übersehe ich eine rote Ampel, in Bad Dürrenberg nehme ich im hungrigen Zustand einer Trambahn die Vorfahrt und in Weiden hätten wir unsere Fahrräder halt wie gewohnt in der Pole Position vor der Eisdiele geparkt - mit dem Auto fahren wir dreimal rundrum. Mal abgesehen davon, dass wir für kilometerlange Staus so überhaupt kein Verständnis haben, wo doch der ganze schöne Standstreifen frei wäre... 😏

Allgemeine Beobachtungen: Die Beschilderung des Elberadweges ist überall dort top, wo man intuitiv eh richtig fahren würde. Ansonsten gibt es leider sehr viele unklare Stellen, wo wir absteigen und in der Papierkarte nachschauen müssen.

Ziemlich sandig hier! Das macht vor allem den Reißverschlüssen am Zelt zu schaffen, so dass wir auf dem Rückweg nur noch einen Eingang benutzen können.

Von Sächsisch über Berlinisch bis Platt und wieder zurück: Für Dialektjunkies wie mich ist dieser Aspekt der Reise natürlich unbezahlbar. Da würde ich am liebsten gleich eine Tour am Rhein entlang dranhängen... Beispiele:

  • Servus - Hallo - Tach - Mojen - Moin
  • Semmel - Schrippe - Brötchen - Rundstück
  • Fleischpflanzerl - Klops - Bulette - Frikadelle
  • auf'm Deich - uf'n Deich - op'n Diek (tatsächlich ein Straßenname!)
  • reden - schpreschn - schwatzen - schnaken
  • nix - nischt - nüscht - nist - nix
  • Metzger - Fleischer - Schlachter
  • Gelbe Rübe - Möhre - Mohrrübe - Wuddel
  • Viertel nach 6 - Viertel 7 - Viertel nach 6

Ähnliche Übergänge stellen wir an der Architektur fest: von Backstein über Fachwerk bis zu den Reetdächern ab Lenzen. Teilweise sehen wir liebevoll und aufwändig restaurierte mittelalterliche Städte, aber durchaus auch Lust auf Extravaganz. Die alte Bebauung ist sehr eng und gleichmäßig, die wenigen Neubaugebiete am Ortsrand dagegen äußerst großzügig, sowohl von der Größe her als auch von den Stilvorgaben.

Insgesamt sehen wir nur vier Trabbis.

Die innerdeutsche Grenze steht noch. Mancherorts tatsächlich als original erhaltener Zaun oder Wachturm mit Gedenkstein und Infotafel, meistens eher versteckt in den Gesprächsthemen der Leute, in der Beschaffenheit von Gebäuden, im Fahrbahnbelag, im (Nicht-) Vorhandensein von Gehsteigen, Geschäften oder Einwohnern, im Ortsbild, im Brot- und Kaffeepreis usw.

Typisch deutsch: Wir probieren die verschiedensten Arten von Kartoffelsalat und Brot. Überhaupt sind die Bäckereien, neben einzelnen griechischen und asiatischen Restaurants, vielerorts die kulinarischen Highlights.

Insgesamt war es eine interessante und beeindruckende Tour quer durch ein Deutschland, das mich selber überrascht hat. Nur die ewig flache Landschaft, kombiniert mit dem ewigen Wind, werden wir beim nächsten Mal lieber wieder gegen mehr hügelige Stramplerei eintauschen.